Ein Projekt von Thomas Friedlaender in Zusammenarbeit mit dem Haus der Kirche - Dreikönigskirche, DEREVO, LUMOPOL und ANTEA
Der Tod in Holz geschnitten
Ein Totentanz von Renate Geisberg
Ausstellung
in der Turmkapelle der Dreikönigskirche
täglich geöffnet (mit Büchertisch) vom 4. bis 17. März 2007 von 10 bis 18 Uhr, Eintritt frei
Sonnabend, 3. März 2007, 18 Uhr
Vernissage der Ausstellung
Einführende Worte: Henry Schuhmacher, ANTEA-Bestattungen Dresden GmbH
Musik: Bertram Quosdorf - Saxophon
Zur Ausstellung
Der Totentanz von Renate Geisberg gehört zu den seltenen umfangreichen Zyklen dieses alten Themas aus der Zwischenkriegszeit. In spätexpressionistischer Formensprache hat die heute zu Unrecht nahezu vergessene Künstlerin zwischen 1933 und 1935 ein höchst eindrückliches Werk geschaffen, das in seinem kritischen Bezug zum aktuellen Geschehen der 1930er Jahre eine Herausforderung an die Zeitgenossen darstellte. Nach der Herausgabe des Mappenwerks 1936 erhielt die Künstlerin deshalb ein Publikationsverbot. Aber auch heute berührt das Werk durch seine klare Aussage, die unmissverständliche Haltung der Künstlerin und die einprägsame künstlerische Umsetzung.
Als hervorragendes Beispiel für eine Möglichkeit der Auseinandersetzung mit dem Thema des Totentanzes im 20. Jahrhundert bietet der Zyklus von Renate Geisberg dem steinernen Relief der Renaissance ein äußerst spannungsvolles Gegenüber. Im schlichten Raum der Turmkapelle in der Dreikönigskirche mit seiner Vertäfelung von 1912 und dem zurückhaltend stuckierten Gewölbe werden die ausdrucksstarken Holzschnitte eine nachhaltige Wirkung entfalten können.
Die Künstlerin Renate Geisberg-Wichmann (Berlin 1898 -1972)
Renate Wichmann, geb. Geisberg, wurde am 13. Oktober 1898 in Berlin geboren. Ihre Eltern waren Karl und Gertrude Geisberg; mütterlicherseits hatte Renate Geisberg Dresdner Wurzeln: Ihr Großvater Felix Jordan war der Gründer der ersten königlich sächsischen Schokoladen- und Zichorienfabrik Jordan und Thimmäus in der Dresdner Neustadt.
Renate Geisberg wuchs in wohlbehüteter familiärer Umgebung in Berlin auf. Schon in früher Jugendzeit beschäftigte sie sich intensiv mit Illustrationen. Nach dem Ersten Weltkrieg war sie als Dozentin an der Fremdsprachenschule in Berlin tätig. Im Rahmen eines Studienaufenthaltes mit Susanne Bach im Winter 1927/1928 lernte sie ihren späteren Ehemann Julius Wichmann kennen, einen in Paris lebenden deutschen Kunstmaler (geboren 1894). Die Heirat von Renate Geisberg und Julius Wichmann fand am 9. Juni 1928 in Paris statt. Von Beginn des Jahres 1930 bis Ende 1932 wohnten beide in der französischen Hauptstadt. Danach kehrten sie nach Deutschland zurück und nahmen ihren ständigen Wohnsitz in Berlin.
Der Ehemann Julius Wichmann sah frühe Zeichnungen und Illustrationen seiner Ehefrau, die sie nicht vollendet hatte. Er regte sie an, die unvollendeten Werke zu vollenden. In den Jahren 1933/1934 nahm sie sich verstärkt der Technik des Holzschnittes an. Dabei bevorzugte sie ein relativ großes Plattenformat. Sie arbeitete mit einer kräftigen Ausgestaltung der Konturen und erzielte eine kontrastreiche Bildsprache mit Ansätzen einer monumentalen Wirkung.
Zwischen 1933 und 1935 entstand der Totentanzzyklus, der aus 16 Holzschnitten besteht. Dieser zeit- und gesellschaftskritische Zyklus wurde 1936 in der renommierten Berliner Galerie Ferdinand Möller sowie in der Großen Kunstausstellung 1936 in München präsentiert. Daraufhin erhielt Renate Geisberg ein Publikationsverbot. Angeregt vom Werk des Autors Max Geisberg („Die Geschichte der Stadt Münster) schuf sie im Zeitraum von 1936 bis 1940 Holzschnitte zum Thema „Die Wiedertäufer von Münster“ und stellte Parallelen zu der Ideologie des Nationalsozialismus dar.
Von 1941 bis 1952 wohnte sie in Borgloh bei Osnabrück. Von Mai bis Juni 1950 stellte sie in einer letzten Ausstellung einige ihrer Werke im damaligen städtischen Museum Osnabrück aus. Wegen eines Unfalls 1952 und zunehmender Arteriosklose mußte sie ihre künstlerische Tätigkeit einstellen. Nach der Rückkehr nach Berlin verstarb Frau Renate Wichmann am 11. April 1972 in Berlin.
Zum Totentanzzyklus „König Tod “
Der lange Zeit zu Unrecht weitgehend vergessene und kaum gezeigte Totentanzzyklus „König Tod “ von Renate Geisberg-Wichmann ist einer der wenigen Totentanzzyklen der Moderne, die zu Recht diesen Ausdruck tragen. Es war in der Gründerzeit, dem Kaiserreich und der Weimarer Republik eine Seltenheit, in sich geschlossene Zyklen zum Thema Totentanz zu finden. Vielmehr war gerade in dieser Zeit üblich, dass die meisten der so genannten Totentanzzyklen nur eine Addition von Einzelbildern waren. Renate Geisbergs Totentanzzyklus gehört zu den wenigen Ausnahmen. Stilistisch steht der in der Tradition des Expressionismus und der daraus erwachsenen Neuen Sachlichkeit. Inhaltlich setzt er sich kritisch und von Glauben geprägt mit dem Thema des Todes auseinander: Alles was zu Beginn der des Zyklus als Willkür der „Herrschers“ Tod aufgefasst werden konnte, wird am Ende dahin gehend gedeutet, dass er „Gottes Diener “ ist.
Zu einzelnen Holzschnitten
Bild II:
Alte und junge Frau
Den Bildern vom Tod der alten Frau lassen sich Beispiele zur Seite stellen, die das Sterben von an Lebensjahren jüngeren Frauen thematisiert. Dem bereitwilligen Auf-den-Tod-zugehen oder Mit-ihm-gehen, das die Künstlerin als Charakteristikum des Alterstodes am Ende eines langen Leben in ihren Szenen visualisiert, steht der Kontrast zu dem Lebenswillen des jüngeren Menschen gegenüber, der noch im Tode vom Tod mitgezogen wird. In ihrem Holzschnitt „Alte und junge Frau “ formulierte Ruth Geisberg beide Vorstellungen und ließ sie miteinander korrespondieren. Vor einer flachen abfallenden Landschaft im Hintergrund marschiert der Tod, begleitet von zwei Frauen, die er an Größe überragt.
Bild III:
Der Unfall
Vor der Kulisse einer Fabriklandschaft mit hohen Schornsteinen und Fertigungshallen ließ die Künstlerin den Unfall zu einer Tat des Todes werden. Dieser liegt ausgestreckt auf einer Krananlage und drückt mit der rechten Hand ein würfelförmiges Gewicht nach unten. Unterhalb gehen einige Arbeiter vorüber, einen von ihnen wird das Gewicht treffen und erschlagen. Die latente Todesbedrohung eines Menschen wird ebenso sinnfällig formuliert wie der Aspekt der Totentanzvorstellung, dass der Tot immer nur den zum Sterben berufenen Mensch das Leben nimmt.
Bild XII:
Kameraden
Mensch und Tod werden zu Kameraden; auf diesem Weg suchte Ruth Geisberg die unmittelbare Nähe des Soldaten im Krieg zum Tod bildhaft zu erfassen.
Bild XIV:
Der Trommler
Die traditionelle Vorstellung vom „Spielmann Tod “ , dessen Melodie sich der aufgeforderte Mensch nicht entziehen kann, wird hier auf das Kriegsgeschehen übertragen. In diesem Sinn darf auch der Holzschnitt von Ruth Geisberg verstanden werden. In „Trommler “ zieht der Tod trommelnd durch Land. Nicht auf eine konkrete Kriegssituation bezogen, gehört er doch in denselben Verständniskontext. Ein früheres literarisches Vorbild findet man im Totentanzgedicht von Ludwig Bechstein aus dem Jahr 1831: „Und der Wanderer zieht auf des Schlachtbahn … Den streitenden Heeren voran / Und die Werbetrommel er rührt, / Und zum blutigen Tanz er Männer führt “.
Für die Wiederentdeckung und Bearbeitung des Totentanzes von Renate Geisberg-Wichmann ist vielen zu danken – für Unterstützung, Informationen und nützliche Hinweise. Genannt seien: Herrn Friedrich W. Kaden: „Totentanz – Kontinuität und Wandel eines Bildthemas vom Mittelalter bis Heute “ Herr Lothar Fischer, Biograph Frau Dr. Uli Wunderlich, Präsidentin der „Europäischen Totentanz-Vereinigung“ Frau Monika Hüsemann, Felix-Nussbaum-Haus, Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Zentralarchiv Ferdinand - Möller-Stiftung, Berlin
Karten für „DEREVO im Tanz des Übergangs“: Vorverkauf: 13 Euro, ermäßigt 9 Euro, zzgl. VVG | Abendkasse: 14 Euro, ermäßigt 10 Euro | Kartenbestellung: Fon: 03 51-8 03 68 10 | Verkauf über Internet: www.ticket2day.de
Karten zu den anderen Veranstaltungen: 10 Euro, Ermäßigt 7 Euro (bis 18 Jahre Eintritt frei) an der Tageskasse
Telefonische Kartenvorbestellung: 03 51-8 12 41 02
Einlass: 30 Minuten vor Beginn
Ev.-Luth. Kirchspiel Dresden-Neustadt; Buchhandlung LeseZeichen; Lydia Hempel; Kunstdienst der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen; Straßen- und Tiefbauamt, SG Öffentliche Beleuchtung; Isolde Matkey; Orgelbau Wegscheider Dresden; Henry Schumacher; Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement; Janos Stekovics; Marius Winzeler u. a. | DRESDNER TOTENTANZ 2007 wird präsentiert von den Dresdner Neuesten Nachrichten | Grafikdesign: Cornelia Teichmann | Änderungen vorbehalten!